Prolog

 

 

 

Er starrte auf die so harmlos wirkende Stadt tief unter ihm hinaus, durch die sich der Black River seinen Weg bahnte wie eine auf Beute lauernde Schlange. Die leicht untersetzte Gestalt des Mannes hob sich wie ein leiser, unbedeutender Schatten vor dem Meer aus Lichtern ab, das sich vor ihm erstreckte, als wäre er ihr Herrscher oder zumindest der Beschützer, für den er sich so lange gehalten hatte. In Wahrheit war er weder das eine noch das andere, das war ihm nun bewusst. Doch die bitterste Pille, die er in den letzten Tagen hatte schlucken müssen, war die Tatsache gewesen, dass er es auch gar nicht sein wollte. Die Last war zu schwer und vor allem die Opfer zu groß geworden. Außerdem war er ein miserabler Politiker. Und so sehr er sich eingeredet hatte, dass Fähigkeiten in diesem Bereich absolut keine Voraussetzung waren, um seinen Job zufriedenstellend zu erledigen, so schnell und so unsanft war er eines Besseren belehrt worden.

 

Er war eben ein Kämpfer, wesentlich besser darin, seinen Gegenüber mit dem Schwert gegenüberzutreten als ihn mit rhetorischen Mitteln zu schlagen.

 

Und das obwohl man ihm bereits prophezeit hatte, dass es ihm irgendwann gelingen würde, einen anderen Menschen mit seinen Monologen zu Tode zu langweilen.

 

Seufzend drehte sich Robert Greene, der derzeitige Leiter der Allianz vom Fenster weg und warf einen kurzen Blick auf das menschenleere Zimmer, in dem er sich befand. Ein Flucht- und Rückzugsort, der ihm nie die Sicherheit hatte vermitteln können, die er sich erhofft hatte. Denn eigentlich sollte dieser Raum immer für jeden, der Hilfe und Beistand brauchte, offen sein und keine Barrikade darstellen, hinter der man sich verkroch, wie er es gerade tat..

 

Robert seufzte erneut, als ihm klar wurde, dass dieses Problem das kleinste auf seiner ach so langen Liste war. Zuerst musste er sich darum kümmern, die Entscheidung, die er vor wenigen Minuten getroffen hatte, zu legitimieren.

 

Die Tatsache ignorierend, dass er im Prinzip gerade vor seiner Verantwortung floh, nahm er an seinem Schreibtisch Platz und setzte die wohl letzte offizielle Verlautbarung auf, die seinen Rücktritt verkünden sollte. Gleichzeitig bestimmte er Laura Monroe zu seiner Nachfolgerin, bis der innere Kreis der Allianz einen neuen Leiter gewählt hatten.

 

Kurz bevor er unterschrieb, zögerte er noch einen Moment, um sich in seinem Büro ein letztes Mal umzusehen. All die technischen Geräte wie seinen Computer oder die Heimkinoanlage mit einer gesicherten Verbindung ins interne Sicherheitssystem hatte er nie genutzt, sich sogar von ihnen abgeschreckt gefühlt, als wären sie die schlimmsten Kreaturen, die die Welt bevölkerten. Was war bloß an einem einfachen Kassettenrekorder und einem Röhrenfernseher auszusetzen? Und seine Memos konnte man immerhin auch per Hand verfassen und kopieren, um sie zu vervielfältigen. Oder sie vielmehr kopieren lassen, seit die Bedienung eines solchen Geräts neuerdings den Erwerb eines eigenen Führerscheins erforderte.

 

Ein leises Kreischen aus dem Saal mehrere Stockwerke unter ihm riss ihn aus seinen Gedanken. Selbst wenn er wollte, konnte er dorthin nicht mehr zurück. Seine Sicherheitsleute hatten sicherlich alles abgesperrt, um die Lage unter Kontrolle zu bringen, und keiner von ihnen würde ihn durchlassen.

 

Robert senkte frustriert den Blick und unterschrieb dann mit einer hastigen Handbewegung, bevor er sich ruckartig erhob. Aus dem Augenwinkel heraus schielte er auf den Fernseher, mit dessen Hilfe er auf die vielen Kameras zugreifen konnte, durch die das ganze Gebäude verseucht war. Er konnte versuchen, sich bloß kurz zu informieren. Aber wollte er es wirklich, wenn es ihm überhaupt gelang? Er war mitverantwortlich für das Chaos, das dort unten herrschte, er hatte den Verursacher eingeschleust. Und er konnte nichts unternehmen, um zu helfen, da er die Konferenz vor der eigentlichen Katastrophe verlassen hatte. Und der Gedanke daran, einen gewissen Menschen wiederzusehen, wenn auch nur auf einem Monitor, versetzte ihm einen zu großen schmerzhaften Stich.

 

Augenblicklich beschloss Robert, seinen Schreibtisch auf der entgegengesetzten Seite zu umrunden, um etwas Abstand zwischen sich und diese Versuchung zu bringen.

 

Dabei redete er sich ein, dass er ein besseres Betätigungsfeld für sich finden würde, etwas das ihn mehr ausfüllte und ihm die Möglichkeit zurückgab, aktiv anderen Menschen beizustehen. Das war jedoch eine glatte Lüge sich selbst gegenüber, denn diese Selbsttäuschung würde voraussetzen, dass er wusste, wohin er ging. Und im Moment wusste er mit Sicherheit nur, wo er garantiert nicht sein wollte.

 

Daher fühlte es sich auch eher wie eine Flucht an, als er den Raum mit langen Schritten durchquerte. Vor dem rettenden Ausgang blieb er kurz stehen, brachte es aber nicht über sich, sich noch einmal umzudrehen, geschweige denn zu lauschen, was im Moment tief unter ihm vor sich ging. Er überwand die letzten Meter auf die Tür zu und wollte sie schon hinter sich schließen, als er entdeckte, dass sein persönlicher Assistent Daniel gerade durch die Zugangstür zum Treppenhaus an anderen Ende des Ganges trat. Nun musste er sich richtig beeilen, ehe der junge Mann ihn bemerkte. Abwehrend und auf keinen Fall auffällig hob er die Hand zum Abschied. „Leb wohl!“

 

Mit einem kräftigen Ruck schloss er das Büro und lief hastig den Flur hinunter in Richtung des Geheimgangs, durch den er ungesehen das Gebäude verlassen würde.

 

 

Blackhaven, Gegenwart

 

 

 

Wachsam blickte er sich um. Es war nicht besonders schwer gewesen, sich ungesehen aus dem Hauptgebäude der Allianz und der Neustadt zu schleichen. Der Aufruhr auf der Konferenz und dessen Nachwehen hatten ihm perfekt in die Hände gespielt. Selbst wenn er sich immer noch mit Gewissensbissen herumschlagen musste, dass er seine Kollegen so schmählich im Stich gelassen hatte. Sein Verstand ermahnte ihn, dass er nichts hätte tun können, um ihnen zu helfen, besonders nicht in seiner derzeitigen Verfassung. Er hätte sich kaum auf einen Kampf konzentrieren können und wäre nur im Weg gewesen, davon war er überzeugt. Außerdem hatten seine Untergebenen ihm mehr als einmal deutlich gemacht, dass er sich in seiner Position nicht unnötig in Gefahr bringen durfte. Auf seinen Alleingängen ignorierte er dies gekonnt, doch in ihrer Gegenwart blieb ihm meist nichts anderes übrig, da man ihn sonst mit Gewalt von der Bedrohung wegschleifte. Trotzdem hasste ein Teil von ihm sich selbst dafür, so schnell aufgegeben zu haben. Und dieser Teil war mit Abstand der Idiotischste in ihm!

 

Das alles war nun vorbei! Mit einem entschlossenen Ruck schulterte er erneut seinen schweren Seesack, in den er eilig seine wichtigsten Besitztümer verstaut hatte. Noch wusste er nicht, wie es weitergehen sollte, aber hier in diesen schmutzigen Gassen voller düsterer Gestalten würde er sicher eine billige Absteige finden, in welcher ihn niemand vermuten würde. Er hatte genügend Bargeld bei sich, damit man ihm dort keine unangenehme Fragen stellte, und trug unterschiedliche Waffen unter und über seiner Lederjacke und in seinen Stiefeln, um zu verhindern, dass man ihm sein kleines Vermögen mit Gewalt abnahm. Zusätzlich hatte er ein paar der wichtigsten Zaubertränke eingepackt, einige einschlägige Standartwerke, ein medizinisches Notfallset, einen Gaskocher und zu guter Letzt ein paar Kleidungsstücke, die noch Platz gefunden hatten.

 

Das dürfte reichen, zumindest fürs Erste. In dieser Stadt konnte man vor unangenehmen Überraschungen nie sicher sein!

 

Daher kontrollierte er immer wieder unauffällig die schmalen, dunklen Sträßchen zwischen den alten, teilweise aus groben Steinquadern erbauten Häusern, die dem Viertel einen leichten mittelalterlichen Hauch verliehen. Die undefinierbaren dunklen und ölig schimmernden Flüssigkeiten, die sich in großen Pfützen auf der gepflasterten Straße sammelten, ignorierte er wohlweißlich. Es konnte sich um simples Regenwasser handeln, vermischt mit Benzin, das irgendwann irgendwie ausgelaufen war. Oder es war Blut, Urin und andere Exkremente, über die er nicht nachdenken wollte. Der Gestank, der seine Nase penetrierte, war zu seiner Erleichterung so schwer zu definieren, dass seine Phantasie nicht Amok lief. Es fehlte nur noch ein dichter Nebel, um die perfekte Kulisse eines unrealistischen, völlig überzeichneten Londonkrimis zu erzeugen.

 

In den tiefen Fugen des Pflasters verborgen knirschten kleine Steinchen unter seinen Schuhen, ein Geräusch, das seiner Meinung nach viel zu laut von den Gemäuern um ihn herum widerhallte. Es war nicht so, dass er sich vor den dunklen Schatten fürchtete, die die langsam aufgehende Sonne in die schwer einsehbaren Straßen warf. Doch wenn er sich wehrte und möglichen Gegnern einen heftigen Kampf lieferte, würde das Aufmerksamkeit erregen. Und genau diese wollte er unbedingt vermeiden! Nicht umsonst hatte er sich mit einem schwachen Illusionszauber umgeben, der dafür sorgte, dass man ihn als völlig unscheinbar wahrnahm. Und der von Barrieren zur Abwehr von Magie nicht erkannt wurde, weil er den Radar unterwanderte, wie man so schön sagte.

 

Aus diesem Grund war er mehr als erleichtert, als er endlich das Schild erblickte. Es sah genauso aus, wie man es ihm beschrieben hatte: Lediglich so groß und rund wie ein Suppenteller war sein Holz bereits so verwittert, dass man den schwarzen Anker darauf kaum noch erkennen konnte. Aber ein sanftes Glühen ging von dem Symbol aus, sodass es trotzdem sofort ins Auge stach. Der Vergleich mit einem Stück Treibholz, das man zurechtgesägt und mit einem magischen Zeichen bemalt hatte, schien durchaus zutreffend.

 

Ansonsten gab es keinerlei Anhaltspunkte darauf, dass er es hier mit einem Motel zu tun hatte. Es gab keinen Schriftzug mit irgendeinem Namen, keine Leuchtreklame und auch keine Hinweistafeln, die verkündeten, ob und wie viele Zimmer noch frei waren. Lediglich die aus dickem alten Holz gefertigte Tür war etwas breiter als diejenigen der umliegenden Häuser, von denen das schmale Gebäude regelrecht eingekesselt war. Es war höher als sie, sogar um mehrere Stockwerke, von denen man aber nur durch jeweils drei Fenster nach draußen blicken konnte. Deren Anzahl nach zur urteilen gab es hier für mindestens einundzwanzig Personen passende Schlafgelegenheiten.

 

Nicht allzu große Personen wohlgemerkt.

 

Man hatte ihm verraten, dass dieses Etablissement unter Kennern nur "Nautilus" genannt wurde, doch eine offizielle Bezeichnung trug es nicht.

 

Seine Untersuchung des Eingangs half ihm nicht dabei, irgendetwas zu finden, mit dessen Hilfe er sich bemerkbar machen konnte. Es gab weder eine Klingel noch einen Türklopfer oder sonst eine Vorrichtung in der Art. Vorsichtig hob er die linke Hand und drückte gegen das Holz, das sich seltsam glatt unter seinen Fingern anfühlte. Federleicht und ganz unerwartet aufgrund des massiven Aussehens öffnete sich die Tür einen Spaltbreit, sodass er seine Bemühungen verstärkte und wenige Sekunden später in das höhlenartige Innere der Absteige trat.

 

Das Erste, was ihm entgegenschlug, war der Geruch. Eine verwirrende Mischung aus süßlichem Moder und dem herben Duft von Sandelholz, vermutlich verursacht durch irgendein Räucherwerk, benebelte seine Sinne. Es war nicht unangenehm, aber so überraschend, dass er unwillkürlich die Nase kräuselte. Dabei entging ihm fast das zweite bemerkenswerte Detail, nämlich dass der winzig anmutende Raum vor ihm scheinbar von einer Öllampe erhellt wurde, die wenige Schritte vor ihm mitten auf dem Empfangstresen platziert war.

 

Selbst für ihn war das eine sehr antiquierte Art und Weise, seine Umgebung zu erhellen.

 

Zumal man als Eintretender Mühe hatte, genaue Einzelheiten zu erkennen. Links neben ihm wand sich eine schmale Stiege aus ausgetretenem Stein nach oben in den ersten Stock. Sie sah ungewöhnlich glatt und abgetragen aus, sodass er bereits jetzt darum betete, nicht auf ihr auszurutschen und sich bei einem Fall den Hals zu brechen. Rechts neben dem Tresen lugte unter einem schweren dunklen Vorhang eine Tür hervor, die wahrscheinlich in irgendein Hinterzimmer führte.

 

"Brauchen Sie nen Platz zum Schlafen oder wollen Sie lediglich in Ruhe meine einzigartige Einrichtung in Ruhe bewundern?"

 

Mit einem verlegenen Räuspern drehte sich Robert zu der Rezeption um, hinter der wie von Zauberhand ein dürrer, hoch gewachsener Mann mit einer hervorstechenden Hakennase erschienen war. "Falls Sie noch etwas frei haben, würde ich gerne für einige Zeit hier unterkommen."

 

Der dunkelhaarige Fremde musterte ihn kopfschüttelnd. "Werfen Sie mir einfach genügend Geld zu, je nachdem wie lange Sie bleiben wollen, und verlangen Sie den Schlüssel. Halt so wie jeder andere auch, der hierher kommt."

 

In dem Moment wurde Robert zum ersten Mal von Außen mit der Frage konfrontiert, wie lange er untertauchen wollte. Er war sich immer noch sicher, dass dies der richtige Weg war. Er musste die Konsequenzen seines Fehlers tragen, einer falschen Entscheidung, die hunderte von Leben hätte kosten können. Wollte er wirklich für längere Zeit in dieser Stadt bleiben?

 

Unfähig eine endgültige Entscheidung zu treffen griff er in seine Jackentasche nach seinem Geldbeutel und zog einen ganzen Packen Dollarscheine hervor, die er auf den Tresen warf. "Reicht das fürs Erste?"

 

Der Hüne vor ihm blinzelte ein paar Mal erstaunt, bevor er das Geld in die Hand nahm und quälend langsam durchzählte. Erst dann blickte er mit hochgezogenen Augenbrauen wieder auf. "Wollen Sie den Laden kaufen oder nur den Rest Ihres Lebens hier wohnen?"

 

Stirnrunzelnd betrachtete Robert das Bündel. Womöglich hatte er gerade etwas übertrieben. Zum Glück hatte er einen Großteil seiner Reserven mit sich genommen. Den Differenzbetrag würde er wohl nie wiedersehen. "Äh, weder noch."

 

Wie er befürchtet hatte, zwackte sich der Mann mit einem diabolischen Grinsen ungefähr ein Viertel von dem Stapel ab und ließ es in der hinteren Hosentasche seiner fleckigen Jeans verschwinden. "Dann reicht es auf alle Fälle!" Mit einer überraschend blitzschnellen Handbewegung warf er Robert einen schweren eisernen Schlüssel zu, an dem ein im Vergleich dazu relativ kleines Schildchen aus Messing hing. Auf dieses war die Zahl Zwei eingraviert. "Das ist der Raum gleich rechts, wenn Sie den ersten Stock betreten."

 

Robert nickte ihm knapp zu und wandte sich dann eilig den glitschigen Stufen zu, um sein Unbehagen darüber zu verbergen gezwungen zu sein, diesen nicht gerade vertrauenserweckenden Aufstieg bewältigen zu müssen.

 

Etwa auf der Hälfte der Wendeltreppe hielt ihn sein Gastgeber zurück, indem er ihm eine Frage zurief. "Wofür brauchen Sie die ganzen Waffen? Das muss ich fragen, damit mein Boss etwaigen Ärger einkalkulieren kann."

 

Robert wandte sich ihm kurz zu. "Ich bin ein Hexer." Daraufhin setzte er seinen unangenehmen Weg nach oben eilig fort.

 

Er hatte diese Bezeichnung bewusst gewählt. Unter den Menschen, die Magie praktizierten, gab es bestimmte Abstufungen, deren jeweilige Benennung strikt voneinander getrennt waren und die man nicht vermischen sollte, um nicht den falschen Eindruck zu erwecken. Zumindest nicht in dieser Welt.

 

Zauberer und Zauberinnen waren hauptsächlich Gelehrte, die die Materie erforschten, ähnlich der Alchemisten des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts. Viele von ihnen arbeiteten für die Allianz, da sie über eine unglaubliche Bandbreite des Könnens verfügten, die von allen Arten von Heilung und einem beinahe unerschöpflichen Wissen über alle übernatürlichen Wesen bis hin zu wirkungsvollen Verteidigungs- und Angriffstaktiken reichte.

 

Hexer und Hexen waren dagegen, nun ja, viel gewöhnlicher. Sie stellten ihr Können meist demjenigen zur Verfügung, der sie gut dafür bezahlte, wobei sie hauptsächlich Schutz- und Abwehrzauber verkauften. Die Frauen unter ihnen wurden zudem häufig aufgesucht, um Liebe erwecken oder erkalten zu lassen, unauffällige und dennoch grausame Rache zu verüben oder die Fruchtbarkeit zu fördern. Ihr männliches Pendant dagegen stand deshalb in einem so zwielichtigen Ruf, weil sie immer wieder als Auftragsmörder arbeiteten. Sie töteten sowohl mit giftigen Tränken und magischen Blitzen als auch häufig mit dem Schwert oder ähnlichem. Daher trugen sie oft mehrere unterschiedliche Waffen mit sich herum, um bei Bedarf auch sofort die Richtige zur Hand zu haben.

 

Als Magier wurden nur mystische Gestalten bezeichnet, von denen man nicht genau sagen konnte, ob sie je existiert hatten. Das berühmteste Beispiel war wohl Merlin aus der Artussage. Leider hatten zudem einige Betrüger in den letzten zwei Jahrhunderten mit ihren Taschenspielertricks und großspurigen Illusionen dafür gesorgt, dass diese Benennung allmählich eine zusätzliche, sehr abfällige Bedeutung erhalten hatte.

 

Kaum war er in der ersten Etage angelangt, ohne sich den Knöchel, den Hals oder sonst ein wichtiges Körperteil zu brechen, bemerkte er, dass er mit seiner Rechnung gar nicht so falsch gelegen hatte: Es gab drei Räume zu seiner Rechten und drei zu seiner Linken. Am Ende des schmalen Ganges führte eine weitere Treppe weiter in die übrigen Stockwerke.

 

Gerade betrat er den schmutzigen, grünlich schimmernden Läufer, der den Flur bedeckte, als aus dem Zimmer neben seinem zukünftigen Unterschlupf ein kleines blondes Mädchen herausschoss. Sie mochte vielleicht acht Jahre alt sein, auf keinen Fall älter, starrte ihn jedoch mit einem wissenden Blick an, der ihn frösteln ließ. Wenige Sekunden später allerdings stahl sich ein strahlendes Lächeln auf ihr Gesicht und sie winkte ihm fröhlich zu. "Hallo!"

 

Er konnte nicht anders und winkte ihr schmunzelnd zurück.

 

"Suzie, was hab ich dir gesagt?"

 

Die strenge Männerstimme aus dem Raum, aus dem sie gerade geflohen war, schreckte die Kleine auf. Sichtlich genervt verdrehte sie die Augen. "Jaaa, Daddy! Ist ja schon gut." Übertrieben mürrisch stapfte sie dorthin zurück, woher sie gekommen war und schlug die Tür erstaunlich fest hinter sich zu.

 

Während Robert sein neues Zuhause für die nächsten Wochen aufschloss, hörte er weitere Gesprächsfetzen, die so sehr nach einem typischen Vater-Tocher-Disput klangen, dass es schmerzte: "Was habe ich dir über das Türknallen beigebracht? So was gibt es bei uns nicht!"

 

"Jaaa, Daddy!"

 

"Du weißt, dass es jetzt Zeit ist. Also trödel nicht wieder herum und zieh dich um!"

 

"Jaahaaa, Daddy!"

 

Mit einem traurigen Lächeln auf den Lippen darüber, welche beneidenswerte Normalität ihm selbst verwehrt wurde, betrat er das Zimmer.

 

Und blieb abrupt stehen, nachdem er den Lichtschalter betätigt hatte.

 

Das konnte unmöglich wahr sein!

 

 

 

 

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